Stellungnahme des Verein COBIN claims

Umsetzung Verbandsklage-RL

vor 6 Stunden 19 Minuten

An die

Republik Österreich

Parlamentsdirektion
Dr.-Karl-Renner-Ring
1017 Wien

per Internet-Eingabe

                                                                                                                              Wien, im Mai 2024

 

Betreff:  Stellungnahme zur Umsetzung der Verbandsklage-Richtlinie

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Verein COBIN claims stimmt in weiten Teilen der Umsetzung der „EU-Verbandsklagerichtlinie“ zu. Um ausschweifende Erörterungen hintanzuhalten, sei auf folgende Punkte verwiesen, die dem Verein für künftige Qualifizierte Einrichtungen (QE) – dessen Status er anstrebt – besonders wichtig erscheinen:     
 

  1. Feststellungsklagen: Soweit ersichtlich, fehlen Kollektiv-Feststellungsklagen in der Richtlinienumsetzung. Gerade im Bereich der Finanzveranlagung und bei Krediten (zB langlaufende, hochriskante Finanzierungs-Derivate wie so genannte „Franken-Kredite“) kann eine kollektive, klageweise Feststellung (zB das Nicht-Bestehen einer künftigen, endfälligen Forderung) tunlicher sein als andere Maßnahmen der Rechtsdurchsetzung.             

    Der Verein COBIN claims spricht sich daher dafür aus, dass auch Feststellungsklagen entsprechend in den Entwurf eingearbeitet werden.   
     

  2. Verfahrensbeschleunigung: Der Fall VW, aber auch derzeit laufende Verfahren zu Veranlagungen oder zu Kredit-ähnlichen Finanzderivaten zeigen, dass bereits aus der ersten Instanz heraus die höchstgerichtliche Klärung durch den EuGH zur Verfahrensbeschleunigung beiträgt. Im Bereich der öZPO ist eine Anrufung des OGH durch das Erstgericht zur Klärung von innerstaatlichen Rechtsfragen ausgeschlossen. Ein nationales Vorabentscheidungsverfahren könnte wesentlich zur Verfahrensbeschleunigung und Rechtssicherheit beitragen und das mehrfach beobachtbare Spiel der Verhinderung von höchstgerichtlichen Entscheidungen durch das Auszahlen des Klägers unterbinden.         

    Der Verein COBIN claims fordert daher, dass Maßnahmen der Verfahrensbeschleunigung – zB unter dem Titel „Sprungrevision“ oder innerstaatliche Vorabentscheidung – in die Richtlinien-Umsetzung mitaufgenommen werden. Der Gesetzgeber hat sicherzustellen, dass bei Verfahren mit einer großen Anzahl an Betroffenen (seien es mehr als 50 oder zB mehr als 1000) eine rechtskräftige Entscheidung inkl Rechtszug zum EuGH in etwa binnen dreier Jahre (also innerhalb der Verjährungsfrist für die insgesamt bestehende Betroffenen-Gruppe) erfolgen kann (Rechtfertigungsgrund: Erhöhtes öffentliches oder gesamtwirtschaftliches Interesse). Die Klärung von zentralen Rechtsfragen innerhalb der Verjährungsfrist stärkt auch die Position gemeinnütziger Vereine wie COBIN claims gegenüber Prozessfinanzierern        
     

  3. Erweiterter Konsumenten-Begriff: Viele EPU, KMU, sogar Konzerne sind von Massenschadensereignissen ebenso betroffen wie Verbraucherinnen und Verbraucher. Für Verfahrensrechte kann es keine Rolle spielen, ob jemand Unternehmer oder Verbraucher ist. Ein Rückgriff auf die wirtschaftliche Ungleichstellung ist nicht sachgemäß, weil Unternehmen bis hin zur Insolvenz, lediglich mit bescheidenen Mitteln ausgestattet und umgekehrt Verbraucher sehr reich sein können.

Der Verein COBIN claims fordert daher die Einbeziehung von Unternehmen in die Richtlinien-Umsetzung.

 

  1. Veröffentlichungen: Der Verein COBIN claims begrüßt ausdrücklich die Einführung diverser Compliance-Vorschriften und hat diese bereits 2022 in seinen Statuten verankert. Vorzusehen ist aber, dass eine QE unter Hinweis darauf, dem Prozessgegner keine strategisch nützlichen Finanz-Informationen zu liefern, Informationen auch einschränken darf (die zB. indirekten Schluss auf Volumina von Prozessfinanzierungsverträge ermöglichen, insbesondere für Anwalts- und Sachverständigen-Kosten) und diese stattdessen dem Bundeskartellanwalt mitteilt. Weiters ist auch wichtig, dass über Umwege oder über Akten-Einsichten Finanzierungsverträge Prozessgegnern nicht zugänglich werden.          

    Der Verein COBIN claims fordert daher, dass bei der Richtlinien-Umsetzung Einschränkungen der Informationsweitergabe aus strategischen Gründen – bei gleichzeitiger Information des Bundeskartellanwalts – zugelassen werden; nebst der Einschränkung von Akteneinsichtsrechten, die die Offenbarung von Prozessfinanzierungsverträgen an Prozessgegner zum Resultat hätten.
     

  2. Finanzierung:

 

    1. Soweit ersichtlich, wird nach Meinung des Verein COBIN claims der zwingende Punkt der Richtlinie (Art 20 RL[EU] 2020/1828) nicht korrekt umgesetzt. Qualifizierte Einrichtungen (QE) sind zusammengefasst so zu stellen, dass (übliche) finanzielle Belastungen nicht der Erhebung von Verbandsklagen entgegensteht. Vor allem sollen nur „moderate Beitrittsgebühren“ von den QE eingehoben werden. Dass QE auch einen laufenden Aufwand für organisatorische Belange haben, der allgemein als Basis für die Organisationen von Verbandsklagen nötig ist, ist logisch. Die QE vergegenwärtigen bei Umsetzung des jetzigen Entwurfs das Problem, dass sie einerseits in der Anlauf- und der Umsetzungs-Phase etwaiger Verbandsklagen keine hohen Mitgliedsbeiträge einheben sollen/dürfen, bereits ab 50 Teilnehmern Verbandsklagen initiiert werden soll(t)en (= wenig Einnahmen) und parallel dazu aus (verständlichen und RL-konformen) Compliance-Überlegungen keine Zuwendungen von Unternehmen de facto zulässig sind. Irgendwie muss sich aber auch – vor allem auch in Hinblick auf den laufenden Sachaufwand – eine QE finanzieren: Vor allem auch, um auch Fälle betreuen zu können, die eben keine vorhandene, gesicherte Judikatur zur Basis haben – die Aufgabe von QE ist es auch, im Sinne von Schadenfall-„Grundlagenforschung“ neue Problemfelder einer Tiefenrecherche zu unterziehen und dann auf juristischem Wege „Neuland“ zu betreten, um Missstände abzustellen. Der Verein COBIN claims nimmt zwecks Erlangung von Kosten-Vorteilen für Vereinsmitglieder davon Abstand, dass an Anwaltskanzleien vermittelte Fälle (je Fall) „Bearbeitungsgebühren“ etwa mit Blick auf anwaltlich erzielte Verrechnungs-Sätze (zB für bloße Stamm-/Falldaten-Erfassung, Korrespondenzen udgl) verrechnet werden. Kosten- und Aufwand-Ersatz in prozessfinanzierten Klage-Aktionen sind an diese gebunden und führen zu keinem Mehr-Wert für den Verband, der ihn erlaubt, finanzielle Ressourcen für die „Anschub-Finanzierung“ neuer Verbandsklage-Aktionen anzulegen. Kurzum: Wenn man einen wirklich unabhängigen, nicht öffentlich-rechtlich geprägten Verbraucherschutz installieren will, sind in einem gewissen Umfang Förderungen nach Anerkennung als QE unerlässlich.

      Oder es werden (parallel zu Förderungen) bestimmte Einnahmequellen als RL-konform anerkannt (zB.: Kostenersatz für laut OGH zulässige Hilfsleistungen für Anwälte, Software-Leistungen für die Realisierung von Aktionen, Fach-Beratungen etc), die die Kosten für eine juristische Auseinandersetzung mit Milliarden-schweren Großkonzernen auf „gleicher Augenhöhe“ später dann abdecken, um neue Projekte ins Laufen zu bringen. Es ist aber praktisch unmöglich, einerseits den QE sämtliche Einnahmequellen („Gewerblichkeit“) zu verwehren, Mitgliedsbeiträge möglichst gering zu halten, Prozessfinanzierungsverträge und Spenden stark zu reglementieren und dennoch zu erwarten, dass „aus dem Nichts“ idR fünfstellige Summen bei den QE entstehen, um zB eine größere Klage-Aktion zumindest zu initiieren (Effektivitäts-Grundsatz!).       

      Der Verein COBIN claims fordert daher, dass anerkannte QE einen Anspruch auf eine Förderung für den operational nötigen Sachaufwand (IT-Kosten, Post [„Offline-Teilnahme“], ggf Homeoffice-Hilfskraft, Büromaterialien udgl – nicht jedoch Büromiete, Dienst-KFZ oder oä nicht direkt zweckführende Ausgaben) von bis zu € 50 000 per anno haben, wenn die QE eine nützliche Tätigkeit im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes nachweisen kann. Darüber hinaus sind Förderungen für konkrete Fälle (zB. Einholung Verfahrens-einleitender Gutachten, anwaltliche Kosten, Gerichtsgebühren udgl) vorzusehen – vor allem auch, um hier Alternativen zur Verfahrensfinanzierung durch gewinnorientierte Prozessfinanzierer zu schaffen und den Rechtszug insgesamt für Betroffene zu günstiger zu gestalten. Bei der Prüfung der „Gewerblichkeit“ der Einnahmen ist nicht auf die Natur der Einnahmen abzustellen, sondern darauf, ob diese zu Interessens-Kollisionen führen und ob diese Einnahmen die QE in weiterer Folge wieder für den laufenden Aufwand und zukünftige Projekte verwendet.          
       

    2. Kostenersatz: Bei erfolgreicher Verfahrensführung ist für den Aufwand der QE ebenso ein Kostenersatz vorzusehen. Dieser kann uU auch dazu dienen, erhaltene Förderungen wieder zurückzuführen.         

      Der Verein COBIN claims verweist darauf, dass ohne einen oben grob skizzierten Förder-Mechanismus QE uU dazu gezwungen sind, entweder prohibitiv hohe Mitgliedsbeiträge von zB. weit über 100 € per anno einzuheben oder dass sonst nur die Verbandsklage-Aktionen aus Gründen der Kostendeckung durchgeführt werden, die eine ohnehin fast sichere Rechtsdurchsetzung darstellen und daher via Prozessfinanzierern oder (vom Verein COBIN claims nicht praktizierte) Fall-bezogene Kosten-Abrechnung ggü Anwälten sicher gedeckt werden. Das würde insgesamt betrachtet aber dazu führen, dass stets „more of the same“ auf in der Rechtsprechung ausgetretenen Pfaden eingeklagt wird, statt progressiv neue Themen anzupacken. Für Verbraucherinnen und Verbraucher neue Schadenereignisse drohen daher dann auf der Strecke zu bleiben, da QE nur mehr „sichere“ Fälle einklagen (müssen), statt mutig neuartige Fälle/Rechtsansätze aufzugreifen um, einen Mehrwert für Betroffene zu zeitigen: Dafür sind, wenn auch nur in überschaubarem Ausmaß, Förderungen vorzusehen und – darauf sei nochmals verwiesen – auch in der RL angeführt.      
       

    3. Folgende Maßnahmen außerhalb der Regelung der Finanzierung im engeren Sinn würden zu einer Verminderung der Bedeutung von Prozessfinanzierung führen:
      1. Niederschwellige Verjährungsunterbrechung (auch außerhalb des Regelungsbereichs der RL) ohne oder mit eingeschränktem Kostenrisiko wie etwa durch die Anrufung von Schlichtungsstellen, Forderungsanmeldung in der Insolvenz oder Privatbeteiligung;
      2. Verfahrensbeschleunigung iS rascher Klärung von Rechtsfragen noch innerhalb kurzer Verjährungsfristen;
      3. Abschaffung der Vergleichsgebühr
      4. Förderung der Digitalisierung und im Rahmen des Managements von Ansprüchen

Abschließend möchte der Verein COBIN claims noch folgende Sichtweise mitteilen: Verbraucherschutz ist ein in höchstem Maß von Idealismus geprägtes Feld – es ist daher auf ein Miteinander aller staatlichen und privaten Organisationen hinzuwirken oder gar zu institutionalisieren. Ein Schlichtungsprozess unter Einbindung auch anderer Organisationen wie zB WKÖ oder der IV wäre wünschenswert. Den Betroffenen geht es meist um eine profunde, rasche Lösung – diese kann auch außergerichtlich ohne einen großen Aufwand für Klage-Aktionen erzielt werden, wenn dazu der Wille besteht.

Klar ist in der Gesamtsichtsichtweise des Vereins, dass QE im Verhältnis zum traditionellen Konsumentenschutz eine Ergänzung/Bereicherung darstellen, aber keinesfalls ein Ersatz sind – es geht, wie erwähnt, um ein (koordiniertes) Miteinander für ein höheres Ziel. Tiefe Überzeugung von COBIN claims ist es auch, dass die Tätigkeiten einzelner QE vor allem in Bereichen angesiedelt werden sollen, in denen die betreffende QE Kompetenzen angesammelt hat: Der Verein COBIN claims etwa wird sich daher (weiter) auf die „neuen“ bzw „jungen“ Konsumentenschutz-Themen in einer digitalisierten Welt (Datenschutz, Internet-Finanzbetrugsfälle etc) sowie das „klassische“ Vereins-Thema Wirtschaftskriminalität mit Massenschaden-Auswirkung nebst Tiefen-Recherchen und -Analysen/Modellrechnungen zu (wirtschaftlichen) Massenschadenfällen und vor allem IT-Verfahren/Software für eine moderne Gestaltung/Handling von (Groß-)Fällen konzentrieren. Der Verein sieht sich als Ergänzung zum (hochgradig wichtigen) „klassischen“ Konsumentenschutz und hilft auch gerne mit Informationen, „Know How“ bis hin zu Software-Lösungen weiter.

Ein Gedanke soll nämlich nie in Vergessenheit geraten: Es geht um ein Miteinander für ein höheres Ziel – der Rechtsfrieden-stiftenden, zeitnahen Abhilfe für Konsumentinnen und Konsumenten und dem Hintanhalten von wenig wünschenswerten Praktiken in der Wirtschaft, die allen anderen seriös arbeitenden Unternehmen schaden.

                                                                                 Mit vorzüglicher Hochachtung!

                                                                             

 

                                                                                          Mag. Oliver Jaindl                                                                  

                                                                                       (Vorstand / Obmann)